Im Tagesspiegel von heute füllt Christopher Lauer eine ganze Seite mit dem Titel „Die Diktatur der Software„. Anlass ist ein Bericht in der SZ nachdem die Generali Versicherung in Zukunft Kunden Rabatte bei der Krankenversicherung einräumen möchte, wenn sie nachweisen, dass sie Sport treiben. Das ganze soll natürlich per App erfolgen und nennt sich Telemonitoring. Vorbild ist Discovery Health aus Südafrika. Dort gibt es das Angebot Vitality. Schaut euch mal an, wie groß die das da aufgezogen haben: Rabatte für Fitnessclubs, eigener Mobilfunkoperator, Rabatte für Reisen, Rabatte im Supermarkt etc.
Nun aber zum Überwachungskapitalismus – das Wort hat wahrscheinlich Karl Eduard von Schnitzler vom Schwarzen Kanal noch erfunden.
Als gelernter DDR Bürger habe ich mit Sicherheit einen besonderen Bezug zum Thema Überwachung. Komisch ist nur, dass ich das hier überhaupt nicht als Überwachung empfinde und ich teile auch viele der weiteren Befürchtungen nicht, die Lauer in diesem Zusammenhang aufzählt. Warum wohl?
Zunächst mal habe ich nach wie vor sehr stark das Gefühl die Kontrolle über meine Daten zu haben. Das liegt auf der einen Seite wohl daran, dass ich als Internet Unternehmer sehr „datenhungrig“ bin und eine Idee habe, was wo mitgeschrieben werden kann und mit anderen Daten verbunden werden kann. Zum anderen denke ich, dass ich ziemlich gut steuern kann, wer was von mir wissen soll. Schließlich kann ich bei den besonders datenhungrigen Unternehmen wie Google nachsehen, welche Daten sie über mich haben. Und ich habe bisher zumindest bei den Unternehmen das Gefühl, dass ich Vorteile daraus ziehe, wenn ich meine Daten aktiv aber vor allem auch passiv preis gebe. Google’s Produkte sind super personalisiert auf mich, und ich freue mich zum Beispiel, wenn Amazon mir relevante Produkte vorschlägt. Da kommt immer noch eine Menge Mist raus, aber tendentiell wird alles besser mit der Zeit.
Das ist aber ein Riesenunterschied zu all dem, was mir auch schon in der DDR Unbehagen bereitet hat – ich weiß nämlich nicht, und kann auch überhaupt nicht einschätzen, was denn die lieben Geheimdienste und die NSA so alles mitschneiden (naja, ich weiss es schon: ALLES) und was die dann damit machen. Da habe ich ein echtes Problem mit und werde nicht aufhören, etwas dagegen zu haben. Staaten dürfen das nicht. Selbst wenn das bedeutet, dass ich einer Gefahr ausgesetzt bin deswegen – das ist der Preis der Freiheit und ich bezahle ihn gern.
Kommen wir aber mal noch zum konkreten Beispiel der Krankenversicherung. Eine Versicherung gibt es für den Notfall, wenn also das unvorhergesehene eintritt und unsere finanziellen Möglichkeiten übersteigt. In meinem konkreten Fall heißt das, dass wir einen hohen Selbstbehalt haben und kaum unsere Versicherung in Ansprach nehmen. Die Krankenversicherung ist für mich das Pendant zur Risikolebensversicherung. Sie soll mir vor allem dann Schutz geben, wenn die Katastrophen passieren. Mit der Zeit werden wir Menschen aber immer schlauer und immer weniger Sachen werden „unvorhersehbar“. Beim Auto gibt es seit Jahrzehnten die Schadenfreiheitsklasse und kein Mensch würde auf die Idee kommen, das System in Frage zu stellen. Und auch bei der Krankenversicherung ist es zumindest in der privaten Versicherung nichts neues, dass für besondere Risiken evtl. mehr gezahlt werden muss oder der Versicherer sogar das Risiko ausschließt. Was ist dann jetzt also so schlimm daran, wenn ich als Versicherter die Informationsasymmetrie mit dem Versicherer auflösen bzw. wenigstens verkleinern kann und dafür einen Rabatt bekomme? Am Ende führt das vielleicht dazu, dass mehr Menschen Sport treiben und wir so die Kosten des Gesundheitssystems senken könnten. Nicht auszudenken. Und wenn ich die Daten nicht teilen will, dann finde ich das überhaupt nicht schlimm, finde es aber auch ok, dann etwas mehr zahlen zu müssen. Es geht ja darum, den Notfall zu versichern. Und wenn ich die Anzahl der Notfälle, zumindest nach herrschender Lehre, reduzieren kann, dann brauche ich auch weniger Versicherungsschutz und will dann auch weniger dafür bezahlen.
Natürlich ist mir auch bewusst, dass in dem gleichen Atemzug dann auch sehr viel früher chronische Leiden, Allergien, andere Risikodispositionen festgestellt werden. Hier sind wir dann als Gesellschaft gefragt – wir als Gesellschaft wollen, dass alle gleiche Chancen haben, egal welche Dispositionen sie von Geburt haben. Also werden wir auch als Gesellschaft die Entscheidung treffen, die damit verbunden Kosten zu tragen. Und wir werden das tun, weil wir human sind – da bin ich mir sicher. An der Stelle ist dann die Solidargemeinschaft gefragt. Das hat dann aber nichts mit einer privatrechtlichen Versicherung zu tun, sondern das ist eine Entscheidung, die wir als Gesellschaft treffen und dann auch über Steuern/Abgaben bezahlen müssen. Die Generali unterminiert hier auch nicht staatliches Handeln – sie bietet ihre Versicherung ja nicht im Auftrag des Staates an, sondern das tut sie als privatwirtschaftliches Unternehmen was am Markt erfolgreich sein will und damit das anbietet, was Kunden wollen, ihr aber natürlich auch hilft den Gewinn zu steigern. So funktioniert Wirtschaft nun mal bei uns – und das ist ziemlich effizient. Tatsache ist, dass unser Gesundheitssystem extrem teuer ist und alles andere als effizient. Jeder Versuch das ganze besser zu machen sollte dabei sehr „wohlwollend“ betrachtet werden aus meiner Sicht. Die Zertrümmerung (oder wie man so schön neudeutsch sagt, die „Disruption“) des Gesundheitssystems, wie wir es kennen, muss ja erst mal nichts Schlimmes sein. Viele andere „Zertrümmerungen“ von Systemen, die wir lange kannten, haben uns als Verbraucher eine Menge Vorteile gebracht.
Die Lösung kann nicht sein, das wir hier über „Verbote“ sprechen. Die von Lauer angeführten Beispiele vom Versagen von Algorithmen machen wir ja nicht besser dadurch, dass wir die Augen und Ohren verschließen vor dem was Realität ist, sondern indem wir aktiv die Möglichkeiten nutzen, die uns die neuen Technologien und auch die vereinfachten Möglichkeiten, Daten zu sammeln (und dann auch auszuwerten) bieten. Nur so können wir das zu unser aller Nutzen einsetzen. Wenn mehr Leute ihre Daten sammeln und diese ausgewertet werden, dann wissen wir viel verlässlicher, was wirklich funktioniert und was nicht. Dann würden wir weniger dumme Diäten machen, vielleicht besseren Sport, hätten weniger Rückenbeschwerden, hätten weniger Menschen mit Diabetes etc etc. Das wäre ein wirklich schlimmes Szenario …
Verbote und Angstmache waren noch nie eine Lösung! Aufklärung sehr wohl. Wir müssen uns klar darüber sein, was da mit unseren Daten passiert. So lange das der Fall ist, freue ich mich auf mehr Datensammelei – durch die Wirtschaft wohlgemerkt. Der Staat soll bitte schön die Finger davon lassen.